Öffentliches Beschaffungsrecht: Fluch und Segen zugleich

Im Anschluss an die gestrige 320. Mitgliederversammlung des Rorschacher Gewerbevereins hielt Regierungsrat Marc Mächler, Vorsteher des Baudepartementes, einen höchst interessanten Vortrag. Und er brachte es in seiner Einleitung zum Referat gleich auf den Punkt: „Ich freue mich, Ihnen heute etwas zum öffentlichen Beschaffungsrecht erzählen zu dürfen – ein nicht ganz einfaches Thema, mit dem wir uns beim Kanton und vor allem im Baudepartement tagtäglich beschäftigen. Einerseits fordert das Gesetz von uns, dass wir bei unseren Vergaben niemanden diskriminieren oder bevorzugen. Andererseits fordern Wirtschaft und Politik von uns, dass wir möglichst viele Aufträge an Schweizer Unternehmen mit einem Sitz im Kanton St.Gallen vergeben. Hier besteht eindeutig ein sogenannter Zielkonflikt. Aus diesen Gründen habe ich auch den Titel ‚Fluch und Segen zugleich‘ gewählt. Das Vergaberecht hat lange Zeit ein Schattendasein gefristet. Es hat zwar vereinzelt auf Bundesebene wie auch auf internationaler Ebene Vorschriften gegeben, diese haben den Verwaltungen aber grosse Freiheiten gelassen. Erst seit Mitte der 90er Jahre wird die Vergabe von öffentlichen Aufträgen reguliert und den Prinzipien der Transparenz und Nichtdiskriminierung unterstellt. Ein Ziel des Beschaffungsrechts ist die Herstellung eines wirksamen Wettbewerbs: Alle Anbieter sollen die gleichen Chancen haben, lukrative Aufträge der öffentlichen Hand zu erhalten. Zudem bezweckt das Beschaffungsrecht eine effiziente Mittelverwendung. Die knappen Mittel der öffentlichen Hand sollen wirtschaftlich verwendet werden. Das Beschaffungsrecht kann in diesem Sinn als eine Art Qualitätsmanagement für die Verwendung öffentlicher Gelder bezeichnet werden“, so Marc Mächler.

Er erläuterte in der Folge die Rechtsgrundlagen wie die Grundsätze des Vergabeverfahrens und hielt fest, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung im Beschaffungsrecht absolut zentral sind. Marc Mächler skizzierte neben den Verfahrensarten (offenes Verfahren, selektives Verfahren, freihändiges Verfahren und Einladungsverfahren) auch die Auftragsarten (Lieferverträge, Dienstleistungsverträge und Bauaufträge). Mit grossem Interesse verfolgten die vielen BesucherInnen seinen Ausführungen rund um die Zuschlagskriterien: „Der Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlich günstigste – nicht das billigste – Angebot. Das wirtschaftlich günstigste Angebot unterscheidet sich vom billigsten Angebot dadurch, dass auch andere Kriterien als der Preis berücksichtigt werden. Die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots erfolgt anhand der Zuschlagskriterien, die für jede Auftragsart und jeden Auftrag gesondert festgelegt werden und sowohl der Art wie dem Umfang des Auftrags Rechnung tragen sollen. Die Zuschlagskriterien beziehen sich auf das Angebot bzw. den Auftrag (im Gegensatz zu den Eignungskriterien, die sich auf den Anbieter beziehen). Der Katalog in Art. 34 Abs. 2 VöB ist deshalb nicht abschliessend und stellt keine Reihenfolge dar. Wesentlich ist bei allen Kriterien, dass sie nichtdiskriminierend oder zu Gunsten der einheimischen Anbieter ausgelegt werden dürfen. Dem Auftraggeber wird bei der Auswahl, Reihenfolge und Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien ein grosser Ermessensspielraum eingeräumt. Bei weitgehend standardisierten Arbeiten kommt dem Preis grosses Gewicht zu. Je aufwendiger die Arbeiten sind, desto mehr rücken neben dem Preis andere Kriterien wie Qualität, Termine und Umweltaspekte in den Vordergrund. Der Preis muss aber auch bei sehr komplexen Beschaffungen mit mindestens 20% gewichtet werden. Der Grundsatz der Transparenz erfordert, dass alle für die Zuschlagserteilung massgeblichen Kriterien und allfällige Subkriterien unter Einschluss ihrer Gewichtung, mindestens jedoch in der Reihenfolge ihrer Bedeutung, bereits in der Ausschreibung definiert werden. Die Bekanntgabe der Zuschlagskriterien ist für die Vergabebehörde bindend“, erläuterte Marc Mächler.

Die nachstehenden Folie zeigt, wie sich die Vergabestatistik im Baudepartement seit 2009 entwickelt hat:

Interessant waren auch seine Ausführungen rund um das WTO-Abkommen und die Vergaben im In- und Ausland. Das WTO-Abkommen sei ein Vertrag zwischen 42 Staaten weltweit und ermöglicht so einen internationalen, diskriminierungsfreien Zugang zu Aufträgen der öffentlichen Hand, so Marc Mächler. „Wie ich einleitend gesagt habe, verfolgt das Beschaffungsrecht einen sinnvollen Zweck. Es schafft Wettbewerb, ermöglicht einen effektiven Einsatz von öffentlichen Geldern und lässt keine Bevorzugung inländischer oder kantonaler Anbieter zu“, sagte er abschliessend und erntete für seinen Vortrag viel Applaus.

In der Diskussion wollte Karl Streule wissen, wieso denn gute Steuerzahler im Kanton kein Faktor bei einer Vergabe sei. Marc Mächler verwies auf das Steuergeheimnis und den zentralen Punkt der Nichtdiskriminierung. Ein grosser Teil der Zuhörenden war zudem der Meinung, dass der Preis sehr wohl eine ganz zentrale Rolle spiele.

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