Der Rorschacher Stadtpräsident, geneigte Leserinnen, geneigte Leser, hat am 25. August seinen Amtsrücktritt auf Ende nächsten Jahres angekündigt. Und niemand fragt, warum er nicht noch ein weiteres Jahr bis zu den ordentlichen Erneuerungswahlen auf dem Sessel bleiben will, den er im Rorschacher Rathaus seit 2003 besitzt. Ursprünglich wollte Thomas Müller bekanntlich nach der Mitte seiner Amtszeit als 66-Jähriger auf Ende 2018 zurücktreten. Weil er später beabsichtigte, seinen Zweitjob zu behalten und 2019 zur Wiederwahl in den Nationalrat anzutreten, hat er in Rorschach ein Jahr angehängt – damit er sich bei dieser Wahl nochmals als amtierender Stadtpräsident präsentieren kann, womit sich seine Wahlchancen (vor allem?) ausserhalb Rorschachs erhöhen. Als Politiker denkt er einfach so.
Ein Rücktrittsgesuch hat Müller in Rorschach offiziell noch nicht eingereicht. Politiker behalten sich Optionen möglichst lange offen. Die Stadträte Guido Etterlin und Stefan Meier haben ihr Interesse am Stadtpräsidium bisher nicht verneint, können aber erst sagen, ob sie kandidieren wollen, wenn Müllers offizielles Rücktrittsgesuch vorliegt. Von Ronnie Ambauen hört man diesbezüglich (noch) nichts. Müssen Politiker einfach so sein? Was ist von Stadträten in der Rolle des Stadtpräsidenten zu erwarten, die sich schon im Vorfeld zu ihren Ambitionen nicht oder nur nebulös äussern?
Ambauen, Etterlin und Meier sind Insider im Rorschacher Regierungskuchen. Unter dem Deckmäntelchen des Kollegialitätsprinzips üben sie ihr Stadtratsmandat in gelassener Verschwiegenheit aus. Das Wahlvolk weiss nicht, was sie als einzelne im Rathaus tun oder nicht tun. Ebenso nicht, was sie aus Internas wissen, das das Rorschachs Wahlvolk nicht wissen darf. Vielleicht wissen sie, dass der zukünftige Stadtpräsident etwas auslöffeln muss, das der bisherige eingebrockt hat (und das sie mit ihm zusammen unter den Scheffel gestellt haben). Und befürchten darum, dass solche Brocken jenem in die Schuhe geschoben werden, der in Müllers Fussstapfen tritt. Mit dieser Hypothek muss der Neue schon nach einem Jahr mit eingeschränkten Erfolgsaussichten zur Wiederwahl antreten. Wer einem anderen für zwölf Monate den Vortritt lässt, hat bessere Chancen, danach für vier Jahre zum Strohhalm gekürt zu werden. Im Hinblick auf ihre Karriere denken Politiker strategisch. Sie sind einfach so. Ob so oder so grüsst Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser,
Ihr Federfuchser