Notizen aus Brooklyn

Ein weiterer Gastbeitrag von Roman Elsener. Das Beitragsbild zeigt den Blick auf Downtown Brooklyn im April 2022.

Wie nahe New York vielen Rorschachern ist, merke ich, wenn in den USA wieder einmal etwas Schreckliches passiert, wie der Anschlag in der Subway gestern in Sunset Park, Brooklyn. Schon wenige Minuten, nachdem bekannt wird, dass ein Mann mit Gasmaske in der U-Bahn um sich geschossen hat, treffen die ersten Fragen aus der Heimat ein:

„Stay safe Brooklyn! Wie geht es Dir, bist Du okay?“ – Ja, danke, Brooklyn ist gross, Sunset Park mindestens eine halbe Stunde per Subway von mir entfernt. So schlimm der Anschlag in New York ist – niemand ist gestorben, und die Gräuel des Krieges in der Ukraine sind viel tragischer.

Lebensader U-Bahn
Dennoch rüttelt der Anschlag am Verständnis des sicheren New Yorks, auf das wir hier bauen: Die Subway ist die Lebensader der Metropole. Dafür, dass hier Ordnung herrscht, fühlen sich gute New Yorker*innen verantwortlich.

Mein guter Freund Quentin und seine Familie leben in Sunset Park, er kennt die Subway-Station, die nun auf blutigen Bildern um die Welt kreist, von seinem Weg zur Arbeit. Normalerweise nichts besonderes, sagt er, einer von vielen Stops im Netz der Metropolitan Transit Authority. Warum soll ausgerechnet hier jemand Amok laufen? “Das ist das Letzte, was New York braucht,” sagt der Musiker aus England.

Die Kinder von Quentin und seiner Partnerin Rebecca sind wohlauf, auch wenn die beiden Grundschüler wie die meisten New Yorker Schüler*innen nach dem Attentat per Polizeigeleit nach Hause kamen. Viele in NYC fühlen sich nicht sicher, solange die Behörden den Täter nicht ergreifen und niemand weiss, was die Motivation für den Anschlag war. Wer nicht muss, nimmt heute nicht die U-Bahn.

Zivilcourage gefordert
Was in New York aber alle wissen: Das Leben darf nicht von Ängsten bestimmt werden vor dem, was passieren könnte. Eine unebene Steinplatte auf einem Trottoir auf den alten Strassen in Brooklyn könnte sich bei einem Sturz verheerend auswirken, ein Auto an einer Kreuzung im falschen Moment um die Ecke schiessen, eine Baustelle eine verheerende Panne haben – es muss nicht eimal ein böser Mensch sein, der Leben auslöschen kann.

Angst ist kein Rezept, vielmehr Zivilcourage von Leuten, die Menschen vor solchem Fehltaten schützen können, Personen die einschreiten, oder zumindest den Mut haben, mit ihrem Handy zu filmen – was hoffentlich in den nächsten Stunden zur Festnahme des Täters führen wird.

Wie gesagt, Brooklyn ist gross, New York City allein hat ebenso viele Einwohner wie die ganze Schweiz. Aber gegen solche Attacken auf Lebensadern einer Stadt – egal wie gross – hilft nur das Zusammenspannen verantwortungsvoller Bürger*innen. Wahrscheinlich ist das auch die Antwort, wie am Ende auch Kriegsverbrecher wie Putin zur Verantwortung gezogen werden

Mit den besten Wünschen aus Brooklyn und Vorfreude auf den Sommer in Rorschach
Roman

Blick von Brooklyn auf Manhattan, April 2022: Die U-Bahn als Lebensader zwischen Brooklyn und Manhattan.

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