Kultur in der Feldmühle: Als die Italiener kamen …

Als in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts italienische Arbeiterinnen und Arbeiter in den Industriebetrieben in Rorschach zu arbeiten begannen, war das für beide Seiten – Schweizer und Fremdarbeiter – ein Kulturschock. Wie die Italiener das Leben in Rorschach und der Region prägten, dem spürt der Abend vom kommenden Freitag, 30. August, 19.30 Uhr, im Rahmen von «Kultur in der Feldmühle» nach.

Eröffnet wird der Abend vom Rorschacher Cantautore Massimo Natali, einem Secondo, dessen Familie vor über 50 Jahren von der Isola del Giglio in der Toscana in unsere Region einwanderte. Noch heute ist Massimo Natiali mit seinem Heimatland verbunden. Er kennt das Gefühl, zwischen zwei Welten zu leben: «Es wird immer ein Teil von ihm sein.» Diese Welten tauchen auch in seinen Liedern auf, die er am Freitag vortragen wird.

Massimo Natali

Eine ähnliche Biografie wie Massimo Natali weisst auch die Sprachlehrerin Liberata Ginolfi auf, die durch den Abend führen wird. Sie stammt aus Serino, einem Dorf östlich von Neapel. Liberata Ginolfi wohnt seit bald 50 Jahren in der Schweiz. Auch für sie ist Rorschach zu einer zweiten Heimat geworden. Als ausgebildete Lehrerin bringt sie hier Kindern und Erwachsenen die Sprache und die Kultur ihres Heimatlandes Italien näher. Deutsch lernte sie gleich zu Beginn ihres Aufenthaltes in der Schweiz: «Ich wusste, dass ich nur mit den Leuten in Kontakt kommen kann, wenn ich ihre Sprache lerne.» Sie ist überzeugt: «In der Sprache liegen unsere Wurzeln.» Liberata Ginolfi ist auch eine Vermittlerin zwischen den Kulturen.

Liberata Ginolfi

«… und es kamen Menschen»

Den Abschluss des Abends bildet der Dokumentarfilm «Siamo italiani», von Alexander J. Seiler, aus dem Jahr 1964.  Seiler und seine Autoren suchten die Begegnung mit den Menschen, die in der Schweiz der sechziger und siebziger Jahre als ‹Problem› wahrgenommen und diskutiert wurden: den italienischen Arbeitskräften. Der Film beginnt mit der sanitarischen Untersuchung an der Grenze; der Mensch wird zur Ware – Menschenware als Massenware –, deren einziger Sinn darin besteht, im Arbeitsprozess reibungslos zu funktionieren und sich möglichst einfach verwalten zu lassen. Dann zeigen die Autoren das Leben der «Fremdarbeiter» in der Schweiz in seinen wichtigsten Aspekten: den Arbeitsbedingungen, den Wohnverhältnissen, dem verbotenen Nachzug der Familie, der Öde des Sonntags, der Hartherzigkeit der Einheimischen, der Bürokratie. Der Schriftsteller Max Frisch prägte in jenen Jahren den legendären Satz: «Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.»

Diesen Menschen ist der Abend in der Feldmühle gewidmet. Menschen aus Italien, die hier gearbeitet haben – und hier bei uns sesshaft geworden sind, ohne ihre Wurzeln zu verlieren. Einige von ihnen kommen am Freitag, 30. August, bei Kultur in der Feldmühle zu Wort. (pd)

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