4 Kantonsräte für bessere Rahmenbedingungen

SP-Kantonsrat Guido Etterlin wird sich morgen zusammen mit Monika Lehmann (CVP), Andreas Hartmann (FDP) und Sandro Wasserfallen SVP) für bessere Rahmenbedingungen für die Sprachheilschule in St. Gallen wehren. „Die Schule Rorschach hat seit Jahren zu Beginn eines jeden Schuljahres die Herausforderung, dass ein oder zwei Kinder mit einer gravierenden Sprach- oder Hörbehinderung den Kindergarten besuchen. Diese Kinder werden dann für ca. drei Jahre der Sprachheilschule in St. Gallen zugewiesen, damit sie die für ihre Entwicklung notwendige Unterstützung erhalten. Normalerweise kommen die Kinder dann gestärkt wieder in die Schule Rorschach zurück. Letzten Sommer aber verzeichnete die Schule Rorschach einen ausserordentlich grossen Bedarf. Es hatte sechs Kinder und diese hatten zusätzlich das Pech, dass von Wil bis Altstätten insgesamt 60 statt wie geplant 40 Kinder der Sprachheilschule angemeldet wurden. Solche Massierungen gibt es im Schulwesen. Leider aber hat das Bildungsdepartement keinen Zugang zu diesen kleinen menschlichen Tragödien und schlug allen Schulen von Wil bis Altstätten buchstäblich die Türe vor der Nase zu, indem es 20 Kinder von der Sprachheilschule abwies. In Rorschach waren vier Kinder betroffen, die behelfsmässig und mit zusätzlicher Unterstützung einer ersten Klasse zugeteilt werden mussten. Das war der Grund, warum ich mit drei weiteren Kantonsräten aus allen anderen Parteien im Kantonsrat eine Gesetzesänderung erwirken möchte, damit das nicht wieder passieren kann“, so Guido Etterlin.

Die Geschichte im Vorfeld findet man hier. Und nachstehend ausführlich die Argumentation bei der morgigen Debatte:

«In der anstehenden Session wird meine überparteiliche Motion «Kindern mit einer Sprachbehinderung zu ihrem Recht verhelfen» behandelt. Die Medien haben verschiedentlich darüber berichtet.  Offensichtlich geht es dem Bildungsdepartment bei der Sprachheilschule vor allem um finanzielle Gründe. Ich bin dem nachgegangen und werde das Geschäft im Parlament mit 12 guten Gründen verteidigen:

12 gute Gründe für die Motion 42.18.19: «Kindern mit Sprachbehinderung zu ihrem Recht verhelfen»

  1. BLD respektiert Volksschulgesetz nichtEntscheidkompetenz liegt bei den Gemeinden.

Das Bildungsdepartement (BLD) hat letzten Sommer unzulässig in die verfassungsrechtlich garantierte Gemeindeautonomie eingegriffen und die Aufnahme von 20 Kindern in die Sprachheilschulen verhindert. Die Motion ist wichtig, damit sichergestellt wird, dass das Bildungsdepartement die ihm zugewiesenen Aufgaben erfüllt und die Rechtsstaatlichkeit garantiert. In diesem Verfahren für die geplante Gesetzesanpassung können allfällige Schnittstellenthemen genauer beleuchtet werden. Und wenn das Ergebnis dann nicht überzeugen sollte, kann das Projekt dann im nächsten Jahr scheitern. Aber nicht jetzt!

  1. Gemeinden zahlen CHF 36’000, Kanton CHF 12’500

Leider hat das BLD die Kosten nicht im Griff. Eine Sprachheilbeschulung kostet CHF 43’000 zuzüglich CHF 5’500 für die Transportkosten im Jahr, total also CHF 48’500.00. Davon tragen die Schulträger über die Pauschale CHF 36’000 pro Jahr oder 75%. Für den Kanton verbleibt ein bescheidener Betrag von CHF 12’500 pro Jahr und Kind. Bei 20 Kindern hätte das Kostenfolgen gehabt für den Kanton von CHF 250’000. Unzulässigerweise vermischt das BLD die Kosten für interne und externe Sprachheilbeschulungen, weist dadurch zu hohe Kosten aus und schädigt die Sprachheilschulen. Das ist unredlich.

  1. BLD malt den Teufel an die Wand: geplante Mehrkosten von 1,2 Mio. Franken sind falsch.

Das BLD berechnet eine starke Zunahme der Sonderschulquote und verzerrt Fakten. Demnach würden Mehrkosten von 1,2 Mio. Franken drohen. Kleinlaut gibt es aber bereits zu, dass es zu Lasten des Kantons nur CHF 500’000 sei, den Rest würden die Gemeinden ja bezahlen, was sie im Volksschulwesen ja sowieso tun. Stimmt immer noch nicht: Für den Kanton wäre es um CHF 250’000 gegangen und um keinen Franken mehr.

  1. BLD ist Kostentreiberin für die Schulträger im Ausmass von 37 Mio. Franken und möchte nun CHF 250’000 sparen bei den Schwächsten.

Es wäre wünschenswert, wenn das BLD es immer so genau nähme mit den Finanzen. Es verursacht den Schulträgern seit Jahren Mehrkosten. Gemäss Fista 2011 kostete ein Volksschüler (ohne Abschreibungen und Zinsen für Schulanlagen) CHF 15’390.00, was bei 53’721 Volksschülern CHF 826,7 Mio. ausmachte. Gemäss Fista 2017 kostet ein Volksschüler (ohne Abschreibungen und Zinsen für Schulanlagen) CHF 16’246.00, also satte CHF 856 mehr in nur sechs Jahren. Das macht bei 53’142 Schülern Gesamtausgaben bei den Gemeinden von CHF 863,3 Mio. aus oder im Vergleich zu 2011 jährliche Mehrausgaben von CHF 36,6 Mio. Franken. Da sind die CHF 250’000 für die Sprachheilschüler für den Kanton ein regelrechter finanzieller Klacks.

  1. BLD desavouiert eigenen SPD – SPD muss unabhängige Abklärungsinstanz bleiben.

Das Bildungsdepartement behauptet, dass wenn für ein Kind mit Sprachdefizit keine passenden Sonderpädagogischen Massnahmen vor Ort zur Verfügung stünden, würde der SPD ohne weiteres einen Platz in einer Sprachheilschule beantragen. Diese Behauptung ist qualifizierter Unsinn. Der SPD arbeitet nach der Leistungsvereinbarung, die das BLD mit dem SPD abgeschlossen hat. Allenfalls wäre es ein gravierendes Führungsversagen seitens des Bildungschefs, wenn seine für das Bildungsdepartement arbeitende und auch zu 50% vom Bildungsdepartement finanzierte Organisation derart versagen würde. Die Schulträger vor Ort tragen die Verantwortung für diese anspruchsvolle Aufgaben. Das BLD hätte ein Jahr Zeit gehabt, in den Sprachheilschulen unnötig zugewiesene Kinder zu eruieren und dafür zu sorgen, dass diese durch die Schulträger in die Regelklassen zurückgenommen wurden. Nichts ist passiert.

  1. Es gibt einen Graubereich zwischen Regelschulfähigkeit und Sonderschule – die Gemeinden nutzen ihn verantwortungsvoll.

Im Zweifelsfall verzichten die Schulträger auf Sonderbeschulungen. Erst wenn die internen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und der SPD mittels standardisiertem Abklärungsverfahren zum Schluss gelangt, dass ein Kind wegen einer schwerwiegenden Sprach- und /oder Hörbehinderung nicht in der Regelklasse beschult werden kann, erfolgt eine Zuweisung durch die Schulträger.

  1. SPD wird wegen BLD unglaubwürdig – SPD soll nicht zur Quoten-Instanz des BLD verkommen.

Das BLD behauptet, es hätte das Zuweisungsverfahren neu organisiert. Das ist falsch. Es liegt ein Ablaufschema vor, das den bisherigen Ablauf präzisiert. Das Problem darin ist folgendes: Der SPD sollte eine unabhängige Fachinstanz sein. Jetzt sammelt neu der SPD per Ende Schuljahr alle Anträge für eine Sprachheilbeschulung und wird verpflichtet, genauso viele Anträge zu stellen, wie das BLD Anzahl Plätze bestellt hat. Die Schulträger lehnen diese technokratische Lösung ab. Es unterwandert lediglich die Gemeindeautonomie und macht den SPD unglaubwürdig, weil er neu ein Vollzugsorgan des Bildungsdepartementes wird.

  1. BLD möchte die «Haltekraft und Integrationsbereitschaft der Schulträger» erhöhen – und verweigert Gespräche vor Ort.

Leider hat das BLD keine Ahnung, was die Schulträger und die Lehrpersonen, HeilpägagogInnen und TherapeutInnen vor Ort alles leisten. Dafür leistet sich das Amt für Volksschule für CHF 500’000 im Jahr eine Abteilung, die Steuerungswissen für das BLD und den Erziehungsrat generiert, damit sie nicht ganz so im Dunkeln tappen.  Auf Schulbesuche vor Ort wagt sich der Bildungschef leider trotz persönlicher Einladung nicht. Offensichtlich sitzt er lieber in seinem Büro an der Davidstrasse und führt seine Quoten-Buchhaltung.

  1. BLD spielt auf Zeit – Sonderpädagogikkonzept soll ab 2022 überprüft werden.

Das BLD spielt in dieser wichtigen Frage auf Zeit. Die betroffenen Kinder haben diese leider nicht. Darum muss die Motion überwiesen werden, damit alle notwendigen Fragen rund um diese Thematik subito aufgearbeitet und die erkannten Mängel korrigiert werden können. Selbstverständlich muss das SOK ab 2022 evaluiert werden. Es wird weitere Fehler zu Tage fördern. Es geht hier um 5-8jährige Kinder und nicht um Quoten!

  1. Ungenaue Fakten beim BLD und Schuld-Eingeständnis.

Gegenstand der Motion waren die 20 (!) Kinder, die letzten Sommer nicht in die Sprachheilschulen aufgenommen werden konnten. Sinnigerweise spricht das BLD nun von 24-27 Kindern, so genau wissen sie es offensichtlich nicht. Per 13. Februar vermutet das BLD, dass 12 Kinder auf der Warteliste im nächsten Jahr zu Unrecht keinen Sprachheilschulplatz erhalten haben. Es ist beschämend, dass das BLD dies zugeben muss. Damit trägt das BLD die Verantwortung, dass diese Kinder zu spät das ihnen zustehende Fördersetting erhalten und die Kinder riskieren, dass sie deshalb länger als ursprünglich nötig, therapiert werden müssen.

  1. Zielwerte und Quoten regieren beim BLD statt KINDESWOHL und GLEICHE STARTCHANCEN.

Das BLD möchte die Sonderschulquote senken auf den schweizerischen Durchschnitt von 2,27%. Gemäss Sonderpädagogikkonzept strebt es vorerst durch Abstrafung der bewährten Institution Sprachheilschule eine Quote an von 2,53% (Zitat: keine Erhöhung). Noch am 22. Mai 2018 berichtete die Regierung zur Interpellation 61.18.21: «Aus langjähriger Erfahrung und im interkantonalen Vergleich lässt sich feststellen, dass die Sonderschulung insgesamt rund 2,5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler vorbehalten ist, deren Entwicklung und Bildung in schwerwiegender Weise beeinträchtigt sind. Schulträger, die sich deutlich über diesem Richtwert bewegen, sind eingeladen, die Zuweisungspraxis zu überprüfen.» Leider lässt die Regierung den Bildungschef einfach walten. Es steht in Aussicht, dass auf übernächstes Jahr die Oberstufe der Sprachheilschule von aktuellen 32 auf 12 Plätze amputiert wird und eine weitere Klasse in der Mittelstufe abgebaut werden soll. Und dies, obwohl sich das Kantonsparlament 2014 klar für die Oberstufe an der Sprachheilschule ausgesprochen hat.

  1. Stadt St. Gallen beweist, dass Quotensteuerung nicht funktioniert. Offensichtlich ist dem BLD jedes Mittel recht, um Pseudoerfolge beim Senken der Quoten auszuweisen.

Am 22. Mai 2018 berichtete die Regierung zur Interpellation 61.18.21, eine überdurchschnittliche Sonderschulquote hätten beispielsweise die Regionen Rorschach mit 2,8 Prozent und Wil mit 2,9 Prozent. Besonders erfolgreich sei die Stadt St. Gallen.

Eine einfache Anfrage im St. Galler Stadtparlament förderte zu Tage, dass die Stadt St. Gallen eine rekordhohe Sonderschulquote von 3,4 % aufweist. Das ist tragisch für die Stadt, unanständig vom BLD, ein solches Faktum einfach unter den Tisch zu kehren. Zudem zeigt es exemplarisch, dass die Sonderbeschulungen nicht über Quoten gesteuert werden können. Sie sind das Ergebnis der sozio-demografischen Situation vor Ort. Auch in Wil, auch in Rorschach.» gez. Guido Etterlin, Kantonsrat.

Newsletter abonnieren

Bitte wähle, ob Du über jeden neuen Beitrag sofort oder lieber jeden Morgen gegen 9 Uhr eine Zusammenfassung der neusten Beiträge erhalten möchtest.
Liste(n) auswählen: