Nachgereicht die Geschichte vom Nebenhaus…

Letzte Woche war hier ein erster Teil der Rorschacher Quartier-Geschichte von Alex Gasser zu lesen. Hier nun wie versprochen Teil 2 aus seinen Memoiren rund um diese beiden Häuser.

Das Nebenhaus, Hohbühlstrasse 16
„Dieses Haus war gleich wie das unsere konzipiert. Zwischen diesen beiden Häusern befand sich das für beide Häuser gemeinsame Waschhaus. Oberhalb des Waschhauses hatten die Männer einen wunderschönen Platz mit Tischtennistisch und Grill eingerichtet. An vielen freien Nachmittagen oder Abenden fanden heftige Tischtennisturniere statt, abends sassen fast alle Familien zum Grillieren zusammen. Es wurde dabei auch viel gesungen. Ruedi Garbe spielte dabei mit seiner Gitarre. Seine deutschen Lumpenlieder waren nicht immer jugendfrei…

Alex Gasser ist der zweite von rechts. (Foto: Privatarchiv ag)

Die vier Familien im Haus Nr. 16
Im Parterre die Familie Brugger mit Regula und Kuno. Kuno, gleich alt wie ich, hatte das Down-Syndrom. Kuno war ein guter Freund. Wir hatten oft zusammen gespielt, auch Fussball auf dem Vorplatz des Feuerwehrmagazins. Nur beim Erklettern des Baumes bei der Grillstelle hatte er stets etwas Angst.

Die Familie Voigt war für uns etwas gar ‚exotisch‘. Erinnerungen habe ich kaum. War er Dirigent der Stadtmusik Rorschach? Später zog die Familie Lüthi ein.

Die Familie Jäger war dann wieder eine typische Lehrerfamilie. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Vater Jäger je mit uns Tischtennis gespielt hatte.  Frau Jäger gab Klavierunterricht und wenn Martin mit uns spielte, rief sie ihn stets zum Üben nach oben. Martins Gefluche glaube ich heute noch zu hören. Das Mädchen war geistig zurück geblieben. Der älteste Sohn war für uns bereits zu alt zum Mitspielen.

Die Familie Garbe hatten zwei Mädchen und einen Buben. Felix verunglückte tödlich im Militär beim Abverdienen zum Korporal. Seine Schwester Susanne stürzte beim Skifahren im Säntisgebiet ab. Das zweite Mädchen heisst Doris.

Ruedi Garbe betrieb zusammen mit seiner Frau im Untergeschoss unseres Hauses einen Betrieb für Steppdecken, Zelte und Falt-Kanu-Bote. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu Ruedi Garbe. Er sass jeden Morgen um sechs Uhr vor dem Waschhaus und rauchte seine Zigaretten. In den Ferien sass ich oft bei ihm und er erzählte mir aus seinem Leben. Er wurde in Deutschland geboren und kam in jungen Jahren zu Verwandten in die Schweiz, wo er mit 16 Jahren eine Handwerkerlehre absolvierte. Als der zweite Weltkrieg ausbrach, erhielt er von der Wehrmacht ein Aufgebot. Als er dieses zurücksandte: «Kein Interesse, bin jetzt in der Schweiz», gab man ihm zu verstehen, dass seine Eltern ja noch Deutschland lebten und es daher für ihn ratsamer wäre, dem Befehl Folge zu leisten. Ruedi kam dann irgendwann als Funker an die Ostfront. Während eines russischen Angriffs versagte das Funkgerät. Unter dem Granatendhagel gelang es Ruedi, das Gerät wieder in Gang zu setzen und Hilfe anzufordern. Das hat ihm das Eiserne Kreuz und etliche Granatsplitter eingebracht.

Er erhielt Heimaturlaub. Weil seine Eltern in der Zwischenzeit gestorben waren, konnte er den Urlaubsort frei wählen. Er wählte Gaissau, ein kleiner Weiler auf der österreichischen Seite des alten Rheins. Ruedi kannte diese Gegend wie seine Hosentasche. Er studierte die Wachablösungen der deutschen Soldaten. Eines Nachts schwamm, respektive durchwatete er den alten Rhein und wurde bei Rheineck von Schweizer Soldaten aufgegriffen.

Dazu eine kuriose Geschichte: Die Granatsplitter ‚wanderten‘ in Abständen aus seinem Körper. Mehrmals klaubte er mit einer Pinzette vor unseren Augen die kleinen zackigen Dinger aus seiner Haut.“

Das Waschhaus. Auszug aus dem Buch von Alex Gasser: Mysteriös, unheimliche Geschichten für Erwachsene:
„Ebenfalls konnte ich durch dieses Fenster das Waschhaus sehen, in dessen Fundament sich eine rechteckige Öffnung befand. Es war der Eingang zu einem langen, in den Fels gehauenen Höhlengang. Wir Kinder tummelten uns sehr oft in diesem etwa 300 Meter langen Gang, der in der Höhe der Bäckerei Spörri rechtwinklig abbog, jedoch knapp drei Meter danach eingestürzt war. Wir wussten alle, dass dies der Fluchttunnel vom ehemaligen Kloster Marienberg hinunter gegen den See gewesen war. Die Älteren wollten sogar wissen, dass es einen Fluchttunnel vom St. Annaschloss zum Kloster Marienberg und dann weiter bis in den Hohbühl gab. Doch wer diese Burg zu Rorschach erbaute, weiss man nicht genau. Sie gehörte im 12. und 13. Jahrhundert den Edeln von Rorschach im Dienste des Abtes von St. Gallen. Aufgrund der damals kriegerischen Zeiten ist jedoch das Vorhandensein eines Fluchttunnels durchaus erklärbar.“ (Text: ag)

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