Ansichtssache Glauben: Was ist der Mensch?

Gestern Dienstag begann im Kirchgemeindezentrum der evangelischen Kirchgemeinde Rorschach die Vortragsreihe „Ansichtssache Glauben“ mit dem sehr interessanten Thema „Was ist der Mensch“. Leider fanden nur sehr wenige Zuhörer den Weg ins EKZ, als Pfarrerin Esther Marchlewitz den Abend mit musikalischer Unterstützung von Ute Rendar um 19.30 Uhr eröffnete. Als Gastreferentin durfte sie Claudia Longoni als Erwachsenenbildnerin und bis vor Kurzem Spezialistin für Demenz im Pflegeheim PeLago begrüssen.

Im ersten Teil beleuchtete Esther Marchlewitz das Thema Mensch aus verschiedenen Perspektiven. Naturwissenschaftlich stammt der Mensch laut Evolutionstheorie mit 98,4 Prozent der Gene vom Affen ab. War der Mensch somit ein reines Zufallsprodukt? Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Bald stellte man fest, dass praktisch alle Eigenschaften des Menschen auch in mehr oder weniger ausgeprägter Form bei Tieren, ja sogar bei den Pflanzen feststellbar sind. Der Mensch kann als einziges Lebewesen Vergangenheit – Gegenwart und Zukunft unterscheiden und sich in Wort wie Schrift ausdrücken.

Esther Marchlewitz

Bei allen Religionen findet man einen Schöpfungsmythos durch eine übermenschliche Macht, die dem Menschen den göttlichen Lebensatem einhauchte und somit den Menschen zu etwas Besonderen unter den Lebewesen macht. Schon in der alten griechischen Philosophie war der Mensch ein göttlich geprägtes Wesen von Freiheit und Endlichkeit, das seine Unvollkommenheit zu überwinden sucht. Aus der Philosophie entstanden in der Moderne auch politische Strömungen wie Sozialismus oder Faschismus. All diese Strömungen vermochten aber keine Antwort auf die Frage zu geben, was mit jenen passiert, die damit nicht mithalten konnten oder wollten.

Claudia Longoni

Die Theologen verstehen die Bibel so, dass Gott uns nach seinem Ebenbilde schuf und uns menschliche Würde von aussen und unwiderruflich zugesprochen wird. Gott nimmt Schwache und Einfältige genau so wie alle andern auf und fordert von uns: „Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst!“

Im zweiten Teil sprach Claudia Longoni  über ihre Erfahrungen mit Demenzpatienten. Sie betonte, dass  alle Menschen frei und mit gleichen Rechten geboren werden. Unter Würde versteht sie Selbstbestimmung, die leider immer öfter vernachlässigt wird. Gerade Menschen, die an Demenz leiden, müssen lernen loszulassen und ihre Bedürfnisse umzustellen. Trotzdem leben Demenzkranke Menschen bis zu ihrem Tod mit Erinnerungen. Sie stellte fest, dass Demenzpatienten, die bereits ihre Sprache stark eingebüsst hatten, beim Beten plötzlich für kurze Zeit wieder sprechen konnten. „Wir müssen bedingungslose Würde anerkennen, denn sie wird uns von Gott gegeben. So kann ein gemeinsames Lachen sehr würdevoll sein und dem kranken Menschen ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Dazugehörigkeit vermitteln.“

Wie die sehr angeregte Diskussion zum Schluss zeigte, ist es gar nicht einfach „Würde“ zu definieren. Es stellte sich heraus, dass Menschen mit ihrem Verstand Gott nur sehr bedingt verstehen und viele Fragen offenbleiben. Mit einem Stück von Mozart schloss Ute Rendar diesen spannenden und lehrreichen Abend würdevoll ab. (Text/Bilder: wn)

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