«Lebenslänglich. Briefwechsel zweier Heimkinder»

Administrativ versorgt: «Lebenslänglich. Briefwechsel zweier Heimkinder». Hinweis auf eine Lesung mit Autorin Lisbeth Herger im Staatsarchiv, die am kommenden Mittwoch in St. Gallen zu hören sein wird.

Dank Vermittlung eines Mitarbeiters des Staatsarchivs begegneten sich Diana Bach und Robi Minder rund 50 Jahre nach ihrem Austritt aus dem Kinderheim wieder. In einer ausführlichen Korrespondenz tauschten sich die beiden über ihre Lebensläufe aus. Der Briefwechsel bildet die Grundlage für das neue Werk «Lebenslänglich. Briefwechsel zweier Heimkinder» von Lisbeth Herger. In einer Lesung im Staatsarchiv am 20. März 2019 um 18 Uhr stellt die Autorin die ehemaligen Heimkinder vor und bettet ihre Geschichte in einen historischen Kontext. Diana Bach und Robi Minder werden ebenfalls an der Veranstaltung teilnehmen.

Fremdplatzierung von Kindern ist ein aktuell viel diskutiertes Thema. Lisbeth Herger, Journalistin und Autorin, berichtet in ihrem aktuellen Werk über das Schicksal der Frau und des Mannes, die in den 1950er Jahren im gleichen Kinderheim aufgewachsen waren. Die Autorin erzählt anhand von Akten im Staatsarchiv und von persönlichen Erinnerungen der ehemaligen Heimkinder die Geschichte des Heims und seiner Organisation.

Das Heim wurde von einem Ehepaar geführt, das von evangelikaler Religiosität durchdrungen war. Der Alltag der Kinder war geprägt von Erziehungsmethoden, die auf Gewalt und liebloser Behandlung fussten. Das Buch beschreibt in beispielhafter Weise nicht nur die Zustände im Heim, sondern verweist deutlich auf die möglichen Spätfolgen einer solchen Kindheit. Die beiden Betroffenen leiden bis heute unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die ihren individuellen Lebensweg stark beeinflusst und behindert hatte.

Diana Bach und Robi Minder engagierten sich als Betroffene im Rahmen der vom Bund unterstützten Aufarbeitung der Geschichte der administrativen Zwangsmassnahmen vor 1981. Sie stellten dabei fest, dass die Geschichte der zahlreichen Heimkinder nicht im Fokus steht, sondern von den Diskussionen um «Verdingkinder» (in einer Familie fremdplatzierte Kinder) überdeckt wird. «Lebenslänglich» beleuchtet deshalb einen wichtigen, bisher eher vernachlässigten Aspekt aus dem Themenfeld der Fremdplatzierung von Kindern.

Lisbeth Herger ist Journalistin und hat sich als Autorin verschiedener Sachbücher zum Thema administrative Versorgung einen Namen gemacht. Ihre Bücher «Zwischen Sehnsucht und Schande. Die Geschichte der Annamaria Boxler 1884-1965» (2013) sowie «Unter Vormundschaft. Das gestohlene Leben der Lina Zingg» (2015) haben ebenso wie das neueste Werk einen Bezug zum Kanton St.Gallen. Die biografischen Darstellungen handeln von Menschen, die aus dem Kanton stammten, hier lebten oder platziert waren oder sich mit seinen Behörden auseinandersetzen mussten.

Die Geschichten dieser Menschen und vieler weiterer sind, zumindest teilweise, im Staatsarchiv St.Gallen dokumentiert. Das Staatsarchiv hatte deshalb in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Betroffenen zu tun. Diese suchten im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 nach schriftlichen Belegen zur ihrer Lebensgeschichte. Die Akten im Staatsarchiv waren und sind wichtig, um Biografien zu vervollständigen. Die Betroffenen konnten damit ihren Anspruch auf Wiedergutmachung durch den Bund belegen.

Die Lesung im Staatsarchiv gibt anhand der Biografien von zwei ehemaligen Heimkindern beispielhaft Einblick in ein dunkles Kapitel Schweizergeschichte.

Der Anlass findet statt am Mittwoch, 20. März 2019, 18 Uhr, im Lesesaal des Staatsarchivs. Der Eintritt ist frei, die Platzzahl beschränkt. (pd Sk SG)

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