„Ich kam mir fast wie ein Missionar vor“

Seit ein paar Tagen stehen auf öffentlichen Plätzen in Rorschach auffällig beschriftete Elektroautos mit Plakaten. Hinter dieser Aktion steht Urs Schwegler, der in Rorschach und der Region kein Unbekannter ist. Der Bau- und Verkehrsingenieur ETH führt ein Verkehrsplanungsbüro. Sein bisher markantester Wurf in der Region Rorschach war die Goldacherstrasse in Rorschacherberg mit einem abgetrennten Rad-/Fussweg, die er zusammen mit dem Rorschacher Landschaftsarchitekten Martin Klauser vor 20 Jahren gestaltet hat. Damals ein unkonventioneller Ansatz, üblich waren Radstreifen auf der Fahrbahn, welche diese als breit erschienen liessen und zu übersetzter Geschwindigkeit verführten.

Seit 30 Jahren befasst sich Urs Schwegler mit neuen Antriebskonzepten. „Ausschlaggebend ist für mich, fossile Treibstoffe und die Abhängigkeit von Erdölstaaten zu ersetzen durch erneuerbare Treibstoffe, die wir in der Schweiz selbst produzieren können. Tönt einfach, aber im konkreten Fall tauchen sofort viele Fragen auf wie Rohstoffe und Energiebedarf für die Batterieherstellung und -entsorgung, Ladeinfrastruktur und Ladezeiten, Kosten usw.“

Nicht einfach ist auch der Unterschied zwischen den diversen alternativen Antriebstechnologien: rein elektrisch, Hybrid, Erdgas. Dies brachte Urs Schwegler 2004 auf die Idee, Informationstage zu organisieren, an denen Anbieter aus der Region Red und Antwort stehen. Vor allem aber soll man die verschiedenen Fahrzeuge unverbindlich fahren und direkt miteinander vergleichen können. In der Zwischenzeit hat er in der ganzen Schweiz über 200 solcher Anlässe organisiert, in unserer Region auch in Rorschach, Goldach und Staad.

Nachdem das Angebot an Elektroautos in den letzten Jahren stark angestiegen ist und man heute in fast jeder Autogarage eine Probefahrt machen kann, hat sich auch das Interesse verlagert und eine Anpassung des Ausstellungskonzeptes erfordert. Seit 2016 treten an diesen Anlässen nicht nur Autogaragen und Zweiradhändler auf, sondern auch Solarfirmen und Anbieter von Ladestationen. Der nächste Anlass findet am 3. Juli 2021 in Horn statt.

Seit zwei Jahren ist der in Rorschach lebende Urs Schwegler pensioniert. Das Thema und den Kontakt mit interessierten Leuten faszinieren ihn aber nach wie vor. Seine landesweiten Aktivitäten hat ein Nachfolger übernommen. Die Region Rorschach hat er aber für sich behalten. „Land und Leute zu kennen ist ein grosser Vorteil.“ So soll Horn denn auch nicht der letzte Anlass für ihn sein. Aber auch für individuelle Beratungen sieht er einen Bedarf, sei es für Stockwerkeigentümergesellschaften, für Firmen oder für Privatpersonen.

Wie sieht Urs Schwegler die Entwicklung? „Die Herstellung von erneuerbarem Strom und die Bereitstellung einer geeigneten Ladeinfrastruktur sind wohl die grössere Herausforderung als die Fahrzeuge an sich. Vor allem die Ladeinfrastruktur in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern ist eine komplexe Aufgabe. Wenn abends alle von der Arbeit nach Hause kommen und ihre Fahrzeuge an ihre Ladestation anschliessen, kann die Hauszuleitung überfordert sein. Statt eine teure Verstärkung der Zuleitung kann die vorhandene Leistung mit einem so genannten Lastmanagement gleichmässig auf alle verteilt werden. So laden anfangs zwar alle mit reduzierter Leistung, aber sobald das erste Auto vollgeladen ist, erhalten die anderen mehr Leistung und am Morgen sind alle geladen. Ziel erreicht, mit deutlich geringerem Aufwand als eine Verstärkung der Hauszuleitung.“

Hält Urs Schwegler die Energiestrategie des Bundes mit Netto-Null-CO2-Emissionen bis 2050 für realistisch? „Bezüglich Fahrzeuge ja, bezüglich Stromproduktion, -verteilung und -speicherung mache ich mir schon etwas Sorgen. Aber das ist nicht mein Spezialgebiet. Und wenn es am Ende 2051 statt 2050 wird, bricht die Welt nicht zusammen.“ Und was fährt Urs Schwegler selber? «Aktuell einen Fiat Panda Erdgas. Zuvor ist er 10 Jahre ein Honda Civic Hybrid und von 1995 bis 2005 ein Peugeot 204 electric gefahren.» Egal um welches Antriebskonzept es geht: er weiss, worüber er spricht. Wenn man Urs fragt, ob er ein Missionar sei, schmunzelt er. „Zwanzig Jahre lang kam ich mir tatsächlich so vor, gelegentlich wurde ich auch oft belächelt. Die Entwicklung in den letzten Jahren hat mich aber bestätigt.

Und zum Schluss noch dies: Es ist nicht so, dass sich das Leben von Urs Schwegler nur um erneuerbaren Strom etc. dreht. Seine Hobbies sind Kochen, Jassen, Wandern, Velofahren, Skifahren. Und im Sommer ist er oft in der Badhütte anzutreffen.

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