Erfolgreiche Entnahme des Gehr-Freskos

Das Fresko „Schöpfung“, 1962, des Künstlers Ferdinand Gehr wurde am Donnerstagmorgen erfolgreich aus dem Kindergarten Seehof gehoben.

Für den Neubau des Hauses Navan an der Hauptstrasse 15 in Rorschach war vorgesehen, das 1962 entstandene Fresko des Künstlers Ferdinand Gehr zu erhalten und es im Neubau wieder zu platzieren. Die erste Etappe konnte nun erfolgreich beendet werden. Was mit dem Fresko des Ostschweizer Künstlers bei einem Neubau geschehen würde, war eine der häufigsten Fragen der Kirchbürgerschaft im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses Navan. Der Kirchenverwaltungsrat versprach, den Erhalt des Kunstwerkes, wenn immer möglich, zu erwirken. Mit der nun erfolgten Entnahme des Bildes ist ein erster grosser Schritt in diese Richtung erfolgt.

Hohe Handwerkskunst
Es war nicht einfach, das acht Meter breite und drei Meter hohe Fresko zu sichern und aus dem Gebäude herauszutrennen. Es bedurfte höchster Handwerkskunst. Die beteiligten Unternehmen haben mit grosser Sorgfalt das Kunstwerk freigestellt, mit Nageltechnik gesichert und für den Abtransport vorbereitet. Die Herausnahme mit Hilfe eines Krans ist nun am vergangenen Donnerstag erfolgt. Vor Ort waren Vertreter des Kirchenverwaltungsrates und der Baukommission.

Gehr-Stiftung
Eng begleitet wurde das Projekt von der Gehr-Stiftung, die insbesondere das künstlerische Erbe des St. Galler Kunstmalers Ferdinand Gehr (1896 – 1996) bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich machen will. Der Geschäftsführer der Gehr Stiftung, Simon Schneider freut sich dementsprechend: „Mit der nun erfolgten ersten Etappe der Translozierung des Freskos, konnte ein grosser Schritt in Richtung Erhalt getan werden.“ Die Stiftung selbst will dafür einen Teil der Finanzierung sicherstellen. Ein weiterer Beitrag für den Erhalt steuert der Katholische Konfessionsteil des Kantons St. Gallen bei, die übrigen Kosten gehen zu Lasten des Baukredits der Kirchgemeinde, die dafür einen Beitrag durch die Stimmbürgerschaft gesprochen erhalten hat.

Ein Zeitzeuge im Neubau
Die weiteren Bauarbeiten für das Haus Navan können nun fortgesetzt werden. Als erstes wird die Tiefgarage erstellt, die an das Parkhaus Hafen angeschlossen wird. Sobald dann die Erdgeschossarbeiten erfolgt sind, wird das Bild im östlichen Gemeinschaftsraum wieder eingesetzt und in den Neubau integriert. Pius Riedener, Präsident des Kirchenverwaltungsrates ist überzeugt, mit dem Erhalt des Freskos einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Werkes von Ferdinand Gehr zu leisten: „Und wir haben zudem das Versprechen gegenüber den Kirchbürgern eingehalten, das Bild zu erhalten.“

Ferdinand Gehr
1911 tritt Ferdinand Gehr, Sohn eines Handstickers, in die Schule des Industrie- und Gewerbemuseums St. Gallen ein. 1914–18 arbeitet er als Vergrösserer von Textilentwürfen im Stickereigeschäft Egli in Flawil. 1919 wird er Schüler von August Wanner an der Gewerbeschule St. Gallen für textiles Zeichnen. Er studiert 1922 die Bilder Emil Noldes in St. Gallen, 1922–23 die Freskotechnik in Florenz. 1925 malt er erste kleine Fresken. Den Winter 1923–24 verbringt er beim französischen Maler und Kunsttheoretiker André Lhote in Paris; im Winter 1928–29 folgt eine Deutschlandreise. 1924 erstes eigenes Atelier in Niederglatt (SG), 1928 Atelier in Niederuzwil. 1934–37 entsteht eine Reihe bedeutender Fresken. 1937 empfängt er tiefe Eindrücke in Italien durch die Bilder von Duccio, Cimabue, Giotto, aber auch in den Etruskergräbern. Ab 1930 führt er zahlreiche Aufträge für Ausmalungen von Kirchen und Glasmalereien aus. 1938 Heirat mit Mathilde Mazenauer; das Ehepaar hat fünf Kinder. 1956 findet schliesslich die erste Gesamtausstellung in St. Gallen statt. Gehr ist zu dieser Zeit einer der meistbeschäftigten und umstrittensten Wandbildmaler der Schweiz. 1994 letzte grosse Einzelausstellung zu Lebzeiten des Künstlers im Kunsthaus Zürich. 1998 Gründung der Gehr-Stiftung. 2001 Retrospektive im Kunstmuseum St. Gallen und in der Fundaçao Calouste Gulbenkian in Lissabon; es erscheint eine grosse Monografie. 2017 Ausstellung Ferdinand Gehr – Bauen an der Kunst im Kunstmuseum Olten, begleitet von einem Katalog zu den öffentlichen Aufträgen des Künstlers. […]

Gehr war bis ins hohe Alter ein vielbeschäftigter Künstler. Seine Fresken, vor allem für katholische Sakralbauten, stiessen auch ausserhalb der Schweiz auf Interesse, so erhielt er 1974 den Auftrag für die Malereien im Trierer Dom. Die Theologische Fakultät der Universität Freiburg i. Ue. anerkannte 1970 die Verdienste des Künstlers mit der Verleihung des Ehrendoktors.

In Anlehnung an: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2017 (erstmals publiziert 1998). Online: [https://recherche.sik-isea.ch/sik:person-4001924/in/sikart] (Text: pd kkrr)

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