Der Rorschacher Stadtpräsident, geneigte Rorschacherinnen, geneigte Rorschacher, erlebte vergangene Woche eine Überraschung. Und zwar am Abschiedsfest für Anna Dietsche. Im Auftrag der Stadt hat sie die Quartierkoordination des Löwenquartiers seit der Eröffnung des Quartiertreffs vor rund acht Jahren mit Herzblut geleitet. Erstaunt fragte der Stadtpräsident den Bereichsleiter Bau & Stadtentwicklung (offenbar in Unkenntnis der Bedeutung des Treffs), ob dieser so viele Gäste für diese Feier erwartet habe. Als der Stadtpräsident kurz danach das feierliche Wort ergriff, wechselte das Erstaunen die Seite – zu Anna Dietsche, den Festgästen und zu Walter Meier, dem Präsidenten des Vereins Löwenquartier, der am diesjährigen Stadtfest für sein berufliches und sein gesellschaftliches Engagement mit dem Goldenen Anker des Gewerbevereins geehrt wurde: Es gibt keine Nachfolge für Anna Dietsche; zudem wird die aufs Jahresende befristete 60-Prozentstelle ihrer Mitarbeiterin nicht weitergeführt. Ob diese Mitteilung den ebenfalls anwesenden Stadtrat und Schulratspräsidenten Guido Etterlin auch überraschte, liess sich aus seinem Gesicht nicht ablesen.
2007 erwog der Bund für einen dreijährigen Testlauf seines Integrationsprojekts «Projet urbain» neben Montreux und Pratteln auch Rorschach. Der Rorschacher Stadtpräsident war darüber wenig erfreut. Rorschach habe kein Problem mit der Integration seiner ausländischen Wohnbevölkerung. Als der Bund schliesslich Rorschach definitiv wählte, galt dem Stadtpräsidenten dies als Auszeichnung für seine Bemühungen um die Rorschacher Stadtentwicklung. So zeigte er sich denn nach der Testphase von 2008 bis 2011 auch begeistert über eine Weiterführung des Rorschacher «Projet urbain» mit eidgenössischer und kantonaler Kostenbeteiligung. Hinter vorgehaltener Hand äusserte er sich indessen gelegentlich abfällig über diese Volksbelustigung fürs Quartier – schliesslich hatte er sein Amt 2003 unter anderem mit dem Versprechen angetreten, den Ausländeranteil in der Hafenstadt zu senken.
Das Löwenquartier darf für 2019 auf die Wahl eines neuen Stadtpräsidenten hoffen, der das Quartier nicht wie sein Vorgänger exklusiv durch den Abbruch älterer Wohnhäuser und den Neubau von Wohnblöcken für steuerkräftige Zuzüger entwickeln will. Was sich im Löwenquartier bisher getan hat, fand kantons- und schweizweit grosse Beachtung. Dass der Verein Löwenquartier, liebe Rorschacherin, lieber Rorschacher, für die Weiterführung der Quartierkoordination und ihres Treffs über die Quartiergrenzen hinaus solidarische Unterstützung verdient, meint jedenfalls
Ihr Federfuchser