Ein Parkplatz als Theaterbühne

Am kommenden Sonntag, geneigte Leserinnen, geneigte Leser, rocken die legendären Flip-Chairs im Schweizerhof, und zwar beim Frühschoppenkonzert zwischen 10 und 12 Uhr. Wer die Band kennt, freut sich auf die mitreissende Spiellust dieser leidenschaftlichen Musiker. Hungrige geniessen nach dem Konzert die Schnitzel- und Cordon bleu-Varianten, die Ruschi und Stefan gerne auch auf der Terrasse servieren. Als ob dieser Herrlichkeiten nicht schon genug wären, eröffnet die Terrasse einen wunderbaren Ausblick auf den sehenswürdigen Bodensee – und auf ein absurdes Schauspiel. Bühne ist der Parkplatz zwischen Eisenbahn- und Laubenstrasse mit Einfahrt an der Bellevuestrasse. Als Hauptdarsteller wirkt ein VÜCHler, also ein Verkehrsüberwachungsschweizer in entsprechendem Outfit. Nebendarsteller sind mehrere Autos auf Parkplatzsuche. Zur Kulisse gehören eine gestelzte Parkverbotstafel mit der Aufschrift „Privat – Parkplatzmieter gestattet“ und gleich daneben eine zweite Parkverbotstafel von niedrigerem Stande mit der Aufschrift „Privatparkplatz“. Um Missverständnissen vorzubeugen, gibt es ein drittes Strassenverkehrsschild. Unter dessen grünem (statt blauem) Parkplatzsignal steht: „Ausgenommen Markierte Parkfelder“, darunter ist eine grüne Parkscheibe für die Blaue Zone zu sehen, darunter steht: „mit Parkkarte Sektor 2 unbeschränkt“. So einfach ist das.

 Die Handlung des Theaterstücks besteht darin, dass der VÜCHler parkplatzsuchenden Sonntagsfahrenden die Einfahrt auf den Parkplatz verwehrt, obwohl kaum mehr als ein Dutzend der 60 Parkfelder besetzt ist. Seiner Rolle gemäss deklamiert er den Sonntagsfahrenden, was es mit den drei Tafeln auf sich hat: Der Parkplatz gehört einem Privaten. Dieser stellt auf einem Teil des Parkplatzes einige der Parkfelder seinen speziellen Nutzungsberechtigten und einige der Öffentlichkeit zur Verfügung. Den anderen Teil des Parkplatzes hat der Private einem anderen Privaten verpachtet, der seine Parkfelder exklusiv seinen speziellen Nutzungsberechtigten vorbehält. Wobei sich der Eigennutz beider Sorten der speziellen Parkfeldnutzungsberechtigten grösstenteils auf die Werktage beschränkt. Ein mephistophelisches Gerücht behauptet, sowohl der eine als auch der andere Private sei je eine Sie: die Stadt und die Polizei. Und die speziellen Parkplatznutzungsberechtigten seien Stadtangestellte und Polizeileute beiderlei Geschlechts – weshalb sonntags hier die meisten Parkfelder hinter der schlagbaumlosen Parkplatzeinfahrt leer seien. Wenn nun am nächsten Sonntag auf der Freilichtbühne unterhalb des Schweizerhofs Eugen Ionseco seine Nashörner (vom VÜCHler behütet) weiden liesse, würde diesen mit Ihnen zusammen, geneigte Leserin, geneigter Leser, gerne so herzhaft wie den Flip-Chairs applaudieren   

 Ihr Federfuchser  

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